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FIBER4: Open Access 2.0 startet in die Umsetzung

20. November 2023 | Autor: Dirk Fieml, CEO tktVivax Group

Auf dem deutschen Glasfasermarkt droht ein Oligopol: Der Überbau durch Telekom und Co. geht ungehindert voran, einen echten Wettbewerb mit Glasfaserprodukten gibt es nicht. Ganz anders in Schweden: Dort arbeiten Netzbetreiber und Diensteanbieter über gemeinsame Plattformen zusammen und sorgen mit einem breiten Angebot an Glasfaserprodukten für echten Wettbewerb, ausgelastete Netze und einen attraktiven Markt. Mit dem Marktmodell „Fiber4“ haben die tktVivax Group und die schwedische Vinnergi Gruppe das skandinavische Vorbild jetzt nach Deutschland gebracht.

FIBER4 Fachartikel in der stadt+werk
Project Description

Trotz aller Appelle für offene Netze und einen fairen Wettbewerb sieht die Perspektive auf dem deutschen Glasfasermarkt düster aus. Immer wieder überbauen die großen TK-Unternehmen – allen voran die Telekom ¬– die gerade gelegten Glasfasernetze von kommunalen Netzbetreibern oder Stadtwerken und verhindern auf diese Weise deren wirtschaftlichen Betrieb. Oder sie pachten diese Netze mit langen Vertragslaufzeiten und sorgen so ebenfalls dafür, dass die Netzbetreiber vor Ort keine rentablen Geschäftsmodelle entwickeln können. Bei den Glasfaserprodukten gibt es ebenfalls praktisch keinen Wettbewerb. Und dies, obwohl es inzwischen mehr als 700 Telekommunikationsnetzbetreiber in Deutschland gibt und die Telekom bislang nur neun Prozent der 12,3 Millionen mit Glasfaser erreichbaren Kunden für sich gewinnen konnte. Doch der Druck der „Großen“ auf Exklusivität nimmt zu und viele der kleinen Netzbetreiber lassen sich auf den vermeintlich einfacheren Weg ein und schlüpfen unter das „sichere Dach“ von Telekom & Co.
Die Herausforderungen für den wirtschaftlichen Netzbetrieb sind in der Tat groß. Zunächst muss im nicht geförderten Ausbau eine möglichst hohe Vorvermarktung erreicht werden. Um selbst attraktive Produkte anbieten zu können, sind aufwändige Vertragsverhandlungen nötig. Den Netzzugang für Dritte zu öffnen ist nach wie vor schwierig und wird durch unterschiedliche Altsysteme behindert. Um jedoch ein Netz auf Dauer wirtschaftlich betreiben zu können, muss die Auslastung bei mehr als 90 Prozent liegen. 

Mit dem Marktmodell Fiber4 können viele dieser Probleme jedoch schlagartig gelöst werden. Das grundlegende Konzept ist einfach erklärt: Mehrere Partner gründen gemeinsam ein Plattformunternehmen, etwa in Form einer Genossenschaft. Dieser Plattform treten Netzbetreiber als Mitglied bei. Internetanbieter können ihre Produkte anschließend über die Netze vermarkten, wozu das vom Plattformunternehmen betriebene System genutzt wird. Die Anbieter erhalten so die Möglichkeit, ihre Produkte auch überregional zu vertreiben. Und auch Betreiber mit eigenem Produktportfolio sind in der Lage, dieses in anderen Netzen zu vermarkten. Da dabei über Netznutzungsverträge individuelle Entgelte vereinbart werden, machen sich die Netzbetreiber zudem unabhängiger von den marktdominierenden Anbietern, die am Ende auch nur zu jeweils einem von vielen Anbietern werden. Das Resultat ist ein agiler Markt mit großer Produkt- und Anbietervielfalt sowie Auswahl für die Endkunden.

Die Vorteile des Modells sind vielfältig: Die teilnehmenden Netzbetreiber sind nicht wie heute über Jahrzehnte an einen großen Anbieter gebunden und können so jederzeit von positiven Marktentwicklungen profitieren. Stadtwerke behalten dabei die volle Kontrolle über das von ihnen ausgebaute Netz. Denn es besteht keine Verpflichtung, alle Anbieter über das Netz zuzulassen. Im Umkehrschluss sind die Anbieter ebenfalls nicht verpflichtet, ihre Produkte auf allen Netzen anzubieten. Es herrscht also echter Wettbewerb, der für den Kunden eine deutlich höhere Wahlfreiheit bringt als heute. Finanziell sind solche Plattformen ebenfalls attraktiv, garantieren die vielen möglichen Anbieter von Internet-, Telefonie-, TV-, IoT-Produkten sowie individuellen lokalen Anwendungen doch eine hohe Netzauslastung. Aufgrund der vereinbarten Netzentgelte für die Durchleitung besteht zudem ein geringes Risiko für Preisverfall. 

Herzstück des Plattformmodells ist eine leistungsfähige Software, mit der sich die komplexen Abrechnungs- und Steuerungsprozesse gebündelt abwickeln lassen. Die Vinnergi-Tochter Maintrac steuert hierfür das offene Betriebsunterstützungssystem (OSS/BSS) „Flow“ bei, mit dem sich unterschiedlichste Vorgänge individuell abbilden lassen. Das System wird von der Plattformgesellschaft betrieben und ermöglicht eine zentrale Koordination der Abrechnungen für Netzentgelte und anderes. Dabei kann es aufgrund hoher Skalierbarkeit und Flexibilität auf verschiedenste Konstellationen angepasst werden. 

Inzwischen haben sich eine ganze Reihe Unternehmen zusammengetan, um die Umsetzung von Fiber4 voranzutreiben.  Die tktVivax Group fungiert dabei vorrangig in koordinierender Funktion, Vinnergi aus Schweden mit seiner Software-Tochter Maintrac ist für den Aufbau der notwendigen Systeme und den Know-how-Transfer zuständig. Rechtliche Fragen zu Verträgen, Satzungen und Co. werden von der Hamburger Kanzlei Wirtschaftrat Recht geklärt, der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) engagiert sich ebenfalls im Projekt. Bereits sieben Unternehmen, die Telekommunikationsnetze betreiben, haben ihre Projektteilnahme erklärt und weitere haben bereits Interesse angemeldet. Sie arbeiten ab sofort im Rahmen der AG Open Access 2.0 des AK GAD (Arbeitskreis Glasfaserausbau Deutschland) in verschiedenen Teilprojekten zusammen.

Wenn diese ähnlich erfolgreich sind wie Schweden, dürfte der Weg auch in Deutschland vorgezeichnet sein. So können Kunden schon bald, statt einem Monopolanbieter ausgeliefert zu sein, unter mehr als 20 Dienstleistern und 150 verschiedenen Produkten auswählen. Genauso, wie das in Schweden heute ganz normal ist. Dort liegt übrigens der Marktanteil der schwedischen Telekom nur noch bei 38 Prozent. Den Rest teilen sich die schwedischen Stadtwerke, die rund 200 kommunale Netze betreiben, sowie etwa 1.000 kleine, gemeinnützige Glasfasernetze, die die sehr ländlichen und oft abgelegenen Gebiete in Schweden versorgen – mit einer ähnlich großen Produktvielfalt wie in den großen Städten.

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Project Details